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Viele Jugendliche in Simbabwe meiden den Gang in Gesundheitszentrum – aus Scham, Angst vor Stigmatisierung oder weil sie gar nicht wissen, welche Angebote es gibt. Wie SolidarMed diesen Herausforderungen begegnet, erzählt Kuda Madzeke, unser Länderdirektor in Simbabwe, im Interview.
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Welche Herausforderungen erleben Jugendliche in Simbabwe, wenn es um den Zugang zu Gesundheitsdiensten geht – insbesondere im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit?
Eine der grössten Hürden ist der fehlende Zugang zu jugendfreundlichen Angeboten. Viele Gesundheitsfachpersonen sind deutlich älter und werden von Jugendlichen eher als Autoritätspersonen oder sogar als Elternfiguren wahrgenommen. Das schafft Distanz. Die Kommunikation wird oft als konfrontativ oder bevormundend empfunden, was dazu führt, dass Jugendliche Gesundheitseinrichtungen meiden – gerade bei sensiblen Themen wie HIV oder Verhütung.
Welche weiteren Hürden bestehen?
Ein grosses Thema ist die finanzielle Abhängigkeit. Wenn jemand etwa den Verdacht auf eine sexuell übertragbare Krankheit hat, braucht es Geld für Transport und Medikamente. Wie soll man das den Eltern erklären, wenn diese gar nicht wissen (oder nicht wissen wollen), dass man sexuell aktiv ist? Viele schämen sich und suchen erst sehr spät Hilfe.
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Hinzu kommt die Angst vor Stigmatisierung. In den ländlichen Gegenden kennt man sich. Manche Fachkräfte wohnen im selben Dorf wie die Jugendlichen und kennen deren Eltern. Da entsteht schnell die Sorge, dass vertrauliche Informationen weitergegeben werden könnten. Diese Vorstellung ist für viele abschreckend.
Wie kann diese Situation verbessert werden?
Wir sensibilisieren das Gesundheitspersonal dafür, wie wichtig es ist, Jugendliche ernst zu nehmen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und ihre Anliegen vertraulich zu behandeln. Ausserdem arbeiten wir mit sogenannten Peer Educators. Das sind Gleichaltrige, die speziell geschult werden und eine Brücke zwischen Jugendlichen und dem Gesundheitssystem bilden. Das senkt die Hemmschwelle enorm.
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Ein weiteres Thema ist die fehlende Privatsphäre: Viele Gesundheitseinrichtungen sind baulich nicht so gestaltet, dass sensible Gespräche diskret geführt werden können. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass spezifische Jugendbereiche entstehen, in denen Beratung und Behandlung geschützt und vertraulich möglich sind.
Wie genau sind die Peer Educators ins Gesundheitssystem eingebunden?
Gleichaltrige erreichen sich untereinander besser. Deshalb wählen wir geeignete Jugendliche aus. Sie sollten lesen und schreiben können, kommunikativ sein, und breit, sich freiwillig zu engagieren. Die Jugendlichen werden in Gesundheitsthemen geschult und lernen, wie sie ihre Altersgenossen unterstützen können.
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Nach dieser Schulung arbeiten sie unter Aufsicht im Gesundheitszentrum mit. Meistens sind zwei bis drei Jugendliche pro Zentrum im Einsatz – mindestens ein Junge und ein Mädchen. Die Zahl kann je nach Grösse der Einrichtung variieren. Sie unterstützen bei Öffentlichkeitsarbeit wie Beratungstagen zur HIV-Prävention und begleiten bei der Nachsorge: Wenn jemand einen Termin verpasst, fragen sie nach, machen Hausbesuche und helfen gegebenenfalls, weiterführende Fachstellen zu finden, etwa bei psychischen Problemen.
Was motiviert die Jugendlichen diese freiwillige Arbeit zu leisten?
Offiziell ist es eine freiwillige Arbeit, sie erhalten aber eine kleine Entschädigung von rund 50 US-Dollar pro Monat für Transport und Verpflegung. Viele sehen in der Arbeit eine Möglichkeit im Gesundheitswesen erste Erfahrungen zu sammeln, weil sie später in diesem Bereich arbeiten möchten. Andere engagieren sich aus Überzeugung.
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Ein wichtiger Fokus in den Programmen von SolidarMed
Ein zentrales Ziel ist es, den Zugang zu Gesundheitsdiensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu verbessern und das Risiko von Teenagerschwangerschaften zu senken. Durch altersgerechte Beratung und Aufklärung können Jugendliche selbstbestimmte Entscheidungen treffen und sich vor übertragbaren Krankheiten schützen. Das stärkt nicht nur ihre Gesundheit, sondern trägt auch zur Gleichstellung der Geschlechter bei.
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Wie stellt SolidarMed sicher, dass die Perspektive der Jugendlichen in die Planung der Angebote einfliesst?
Das ist sehr wichtig für die Ausrichtung unserer Aktivitäten. In jeder Gesundheitseinrichtung gibt es ein Jugendkomitee, der sich regelmässig trifft, um Anliegen von Gleichaltrigen zu besprechen, Herausforderungen zu identifizieren und konkrete Vorschläge zu entwickeln. Mit Unterstützung von speziell geschulten Pflegefachpersonen präsentieren die Vertreter:innen ihre Standpunkte dem Krankenhausvorstand, der sich aus medizinischem Personal, lokalen Vertretern und Mitgliedern spezifischer Interessengruppenzusammensetzt. So wird sichergestellt, dass die Stimmen der Jugendlichen dort Gehör finden, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden.
Darüber hinaus führen wir bei der Programmplanung regelmässig Fokusgruppen durch. Nach Geschlecht getrennt, aber auch in gemischten Gruppen. So können wir direkte Rückmeldungen zu ihren Erfahrungen, Bedürfnissen und Erwartungen einholen. Auch in der Evaluierungsphase werden junge Menschen aktiv einbezogen. Denn nur wenn wir wissen, wie die Angebote wirklich ankommen, können wir sie nachhaltig verbessern.